Kulturregion Franken

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„Kulturregion“ – Begriff und Geschichte

Die Begriffe Region und Kulturregion sind heute allgemein geläufig und weit verbreitet. Google kennt für Deutschland 10,5 Mio. Nachweise für das Wort Region und für Kulturregion 158.000 Belege, wobei letzteres ein deutsches Spezifikum zu sein scheint (weltweit: 254.000 Belege). Dies ist umso bemerkenswerter, als die Brockhaus Enzyklopädie 2006, ebenso wie Meyers Lexikon von 1927/29, den Begriff Kulturregion nicht kennt. … Dieser stichprobenartig ermittelte Befund mag überraschen und verlangt nach Erklärung.

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Deutschland war in Folge seiner Geschichte und späten nationalstaatlichen Entwicklung das Land der größeren, kleineren und kleinsten selbständigen Territorien. Das „Historische Lexikon der deutschen Länder“ (1992) kennt etwa 5.000 historische Einheiten.

  • Am Ende des Hl. Römischen Reiches Deutscher Nation bestanden etwa 2.000 Herrschaften,
  • der Deutsche Bund (1815 – 1866) zählte 23 Länder, 4 Städte,
  • das Deutsche Kaiserreich (1871 – 1918) 23 Länder, 3 Städte –
  • die Weimarer Republik (1819 – 1823) behielt diesen Stand im Wesentlichen bei – und
  • die heutige Bundesrepublik 13 Länder und drei Städte.

Dieser Konzentrationsprozess auf Länderebene mit unterschiedlichen Grenzziehungen findet sich, unterhalb der Landesebene, bei den Kreisen und Gemeinden in noch stärkerer Ausprägung. So führte die Gebietsreform ab den 1960er Jahren zu einer völligen Neustrukturierung der Gebietskörperschaften. …

Weder bei der politischen Flurbereinigung unter dem Diktat Napoleons zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch bei den Verwaltungs- und Gebietsreformen ab den 1960er Jahren standen kulturelle und historische Gesichtspunkte im Mittelpunkt. Den Gewinnern aus Säkularisation und Mediatisierung ging es um Machtzuwachs, Napoleon um Großmachtpolitik und bei den Reformen im 20. Jahrhundert waren Wirtschaftlichkeit, Effizienz, Kosteneinsparung und sachgemäße Aufgabenerfüllung die leitenden Ziele. Die im Grundgesetz  Art. 29 I als Grundlage für eine Neuordnung des Bundesgebietes angesprochene „landsmannschaftliche Verbundenheit, die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge“ haben immerhin bei dem Wiedererstehen der neuen Bundesländer Geburtshilfe geleistet. Dennoch ist es eher erstaunlich, dass sich angesichts der von Machern und Technikern seit 1800 jeweils neu definierten politischen und sozialen Räume, ältere kulturelle und historische Erinnerungen quer zu den neuen Organisationen erhalten und erneuert haben.

Diese Entwicklung setzt im 19. Jahrhundert mit dem politischen Verschwinden einer teilweise bis ins Mittelalter zurückreichenden kulturellen geistigen Landkarte ein. Träger dieser Erinnerung sind die Museen, die historischen Vereine und die unterschiedlichen Träger der Denkmalpflege, dann die Gemeinden, Märkte und Städte und die höheren Kommunalverbände. Die damals verwendeten Raumbegriffe sind Land, Landschaft und Stamm. Seit der Revolution von 1848/49 und der zunehmenden Dominanz der nationalstaatlichen Geschichtsbetrachtung stehen sie unter dem Verdacht des Partikularismus, der negativen Bewertung der Kleinstaaterei, die es in nationalem Hochgefühl zu überwinden gilt. Diesen Spagat jeweils zu schaffen – guter Augsburger, guter Schwabe, guter Bayer, guter Deutscher – fiel und fällt nicht immer leicht. Schon König Ludwig I. von Bayern (1825 – 1848), Autokrat und Zentralist in einem, konnte mit der Wiedererweckung des historischen Sinnes in einer bewussten Geschichtspolitik die politischen Widerstände der neubayerischen Gebiete ableiten und mildern. Nach der NS-Zeit, in der vermeintlich Volkstum und Stammestradition eine neue Bedeutung gewannen, um doch nur einer nivellierenden Herrschaftsideologie dienstbar gemacht zu werden, waren die biologistisch und völkisch konnotierten Landschafts- und Stammesbegriffe abgewertet.

Der neutrale und in diesem Sinnzusammenhang kaum gebrauchte Regionbegriff bot sich an, zumal sich in ganz Europa unterhalb der staatlichen Ebene Regionalbewegungen zeigten und in Deutschland der Begriff der Nation und des Nationalstaates föderal wieder aufgebaut werden konnte. Die erste deutsche Euregio entstand 1958 im Grenzgebiet zwischen Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und den angrenzenden niederländischen Provinzen. 1972 wurde die Arbeitsgemeinschaft der Alpenländer mit Bayern, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Graubünden und der Lombardei gegründet. Das Motto vom Europa der Regionen entwickelte mehr Anziehungskraft als die Vorstellung eines Staatenbundes. Der Europarat definierte 1978 Region als eine „menschliche Gemeinschaft“, die gekennzeichnet ist durch „eine geschichtliche und kulturelle, geographische und wirtschaftliche Homogenität, die der Bevölkerung eine Einheit verleiht in der Verfolgung gemeinsamer Ziele und Interessen“.

Dieser eher abstrakte Begriff wird in seiner Gänze in unserer pluralistischen, medial globalen Welt kaum zu finden sein. Eher lassen sich kulturelle Teilidentitäten fest machen. Welche Ansatzpunkte zeigen sich inhaltlich unterhalb der Ebene der deutschen Bundesländer, die sich politisch als europäische Regionen definieren, was sie kulturell-historisch nie waren?

Ausgangspunkt ist zunächst die erinnerte und in den Gemeinsamkeiten wahrgenommene räumliche Dimension, die in der Regel einen Träger, eine organisatorische Struktur besitzt, also Vereine, Verbände, Stiftungen.

  • Am stärksten verbindet die Sprache/Mundart, der Glaube (Konfession) besonders in einer Minderheitensituation, das gemeinsame Schicksal und die gemeinsame Geschichte. Naturraum, Geographische Lage und Klima bilden die Rahmenbedingungen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl durch die differenzierende Mundart hat nach einer Zeit der Abwertung („Dorfdepp“) zu einer positiven Neubewertung und ausstrahlenden Attraktivität in Literatur, Theater und Politik (Bodenständigkeit, Glaubwürdigkeit) geführt, die einem wirkmächtigen kulturellen Code bildet. Im religiösen Bereich bildet die seit dem 16. Jh. sich entwickelnde, konfessionell geprägte Kultur und Lebensweise – Architektur, Bildungssystem, Musik, Theater, Kunst, Essen und Trinken – trotz der Säkularisierung bis heute ein erfahrbares kulturelles Substrat, das Regionen unterscheidbar macht. Die unterschiedliche politische, wirtschaftliche und soziale Geschichte bleibt erlebbar in der Baukultur, in den sozialen Strukturen und den geistigen Orientierungen. (Hafenstädte, Winzerstädte, Handelsstädte, Arbeiterstädte).
  • Neben den genannten harten Faktoren für eine Kulturregion gibt es weiche mit kultur-, kunst- und personengeschichtlichen Kennzeichen, die ein prägendes Zeichen setzen können (Bildungslandschaft, Kunstlandschaft, Literaturlandschaft). Der Historiker Peter Blickle hat die Bedeutung der Regionen vor kurzem wie folgt beschrieben: „Regionen sind Erfahrungsräume, geprägt durch Brot, Speisen, Sprache, Arbeit, Fest, Religion und eine gemeinsame, in der Geschichte verankerte Erinnerung. Regionen haben keine festen Grenzen, aber harte Kerne. Das sind in der Regel die Städte und Dörfer, jene Räume der Nachbarschaft und Gesellschaft, in denen sich Menschen zuerst begegnen. […]. Der Regionalismus bewahrt eines der knappsten Güter, die wir haben, das Gefühl der Sicherheit.“

Kulturregionen sind daher keine gemachten Regionen, sondern knüpfen an Traditionen an. Fund und Erfindung nennen es die Kulturwissenschaftler. Ihre Aktualität, ihr Markt- und Medienerfolg verweisen auf menschliche Grundbedürfnisse wie Originalität und Authentizität. Kulturregionen bilden in dem sich zusammenschließenden Europa die „Gegenbalance durch kleinere Einheiten. Je mehr die „Heimat“ im kleinen gesucht wird, desto mehr wird Europa ein gemeinsames Haus mit vielen Zimmern“ (Peter Häberle).

Nicht Virtualität und Beliebigkeit zeichnen dieses Haus aus, sondern geschichtliche Tradition und Kreativität.

Dieser leicht gekürzte Beitrag wurde uns freundlicherweise vom Autor Dr. Peter Fassl, Bezirksheimatpfleger von Schwaben a. D., zur Verfügung gestellt.
Der Aufsatz ist erschienen in: Politik & Kultur – Zeitung des Deutschen Kulturrates Nr. 02/07 (März – April 2007), S. 23.

Peter Fassl, Wilhelm Liebhart, Doris Pfister, Wolfgang Wüst (Hgg.), Bayern, Schwaben und das Reich. Festschrift für Pankraz Fried zum 75. Geburtstag. Augsburg 2007, S. 399 – 401. (Augsburger Beiträge zur Landesgeschichte Bayerisch-Schwabens, Bd. 11, Reihe 7 der Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsstelle Augsburg der Kommission für bayer. Landesgeschichte bei der Bayer. Akademie der Wissenschaften).

Franken im Europa der Regionen

Es ist seinem Gründer Dr. Peter Schneider zu verdanken, dass der Frankenbund von Beginn an Franken als Teil Europas betrachtete und deutete. Konsequenterweise sprach sich Schneider bereits 1923 entgegen dem Zeitgeist für eine Aussöhnung mit Frankreich aus.
Wie der Frankenbund heute über „Franken im Europa der Regionen“ denkt, erfahren Sie hier in einem Interview des Würzburger Katholischen Sonntagsblatts mit dem 1. Bundesvorsitzenden Dr. Paul Beinhofer.

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Für die Abdruckgenehmigung bedanken wir uns bei dem Zeitungsjournalisten Stefan Römmelt und dem Chefredakteur des Würzburger Katholischen Sonntagsblatts Wolfgang Bullin.

Tauberfranken

Auch Franken: Tauberfranken

Die Kulturregion Franken umfasst neben den drei fränkischen Bezirken im Freistaat Bayern auch Teile Thüringens und Baden-Würtembergs. Im letztgenannten Bundesland gibt es mehrere Bezeichnungen, die den Bezug zu Franken im Namen ausdrücken: Württembergisch-Franken – Badisches Frankenland – Tauberfranken.
Die im Archivverbund Main-Tauber tätige Archivarin und Kreisheimatpflegerin Claudia Wieland erläutert die vielfältigen Bezugspunkte von Land und Leute zum Fränkischen aus ihrem Blickwinkel.:

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Württembergisch-Franken – Badisches Frankenland – Tauberfranken

Wo beginnt, wo endet Franken? Eine Frage, auf die es vermutlich keine eindeutige Antwort gibt. Denn es gibt unterschiedliche Definitionen von „fränkisch“. Auf der politischen Ebene tragen in Bayern gleich drei Regierungsbezirke bzw. Bezirke den Namensbestandteil Franken in sich, der damit eine starke öffentliche Wahrnehmung genießt. In Baden-Württemberg taucht der Begriff mit „Heilbronn-Franken“ dagegen auf der dem Regierungsbezirk untergeordneten Ebene des Regionalverbands bzw. der Region auf, mithin an weniger prominenter Stelle.

Mögen die bayrischen Franken auch einen gewissen Alleinvertretungsanspruch proklamieren, Franken leben auch in Baden-Württemberg! Schon allein ein Blick in den Sprachatlas von Baden-Württemberg zeigt es, an Kocher, Jagst und Tauber spricht man ostfränkisch. Geht man historisch vor die napoleonische Staatenbildung zurück, zeigen sich die engen Verflechtungen zwischen den heute durch Landesgrenzen getrennten Räumen. Das Hochstift Würzburg erstreckte sich weit über die Tauber nach Westen. Der Fränkische Reichskreis, seit dem 16. Jahrhundert v.a. für Militär und Steuern zuständig, lag im Zentrum des Reichs. Mit den Grafen von Wertheim, den Grafen von Hohenlohe, dem Deutschen Orden waren auch wesentliche Territorialherrschaften der Main-Tauber-Region in diesem Verband vertreten. Die dem Ritterstand angehörigen Familien des Gebiets organisierten sich ebenfalls regional – im Fränkischen Ritterkreis.

Trotz der politischen Umwälzungen der vergangenen zwei Jahrhunderte, trotz der nach 1945 erfolgten intensiven und nach wie vor anhaltenden Bevölkerungsveränderungen – die fränkische Beziehung ist im Bewusstsein der Menschen verankert. Für Vereine, die sich mit der Geschichte der Region befassen, beinahe logisch. Der Historische Verein für Württembergisch-Franken mit Sitz in Schwäbisch-Hall, die Tauberfränkischen Heimatfreunde in Tauberbischofsheim oder der Verein Tauberfränkische Volkskultur in Weikersheim tragen den regionalen Bezug in ihrem Namen, der Heimat- und Kulturverein Lauda veranstaltet „Fränkische Abende“. Manche in den vergangenen Jahrzehnten erschienene Ortschronik aus dem Main-Tauber-Kreis führt im Untertitel den Zusatz „Aus der Geschichte eines fränkischen Dorfs/einer fränkischen Stadt“.

Nicht nur im Kulturbereich, auch in Wirtschaft und Verwaltung dokumentieren Einrichtungen und Verbände mit diesem Begriff ihren Heimatbezug. Fränkische gemeinnützige Wohnungsbau GmbH, Fränkisches Getreidelagerhaus Zimmern, Fränkische Möbelfabrik Reicholzheim, Arbeitsgemeinschaft (heute: Vereinigung) fränkischer Grünkernerzeuger Boxberg e.V. waren und sind Beispiele dafür. In den letzten Jahrzehnten kommt die enge Verbundenheit zwischen den Menschen und ihrer Region vermehrt in der Wortbildung „Tauberfranken“ zum Ausdruck, die immer weitere Verbreitung findet. So wurde aus dem Weinanbaugebiet „Badisches Frankenland“ im Jahr 1992 Tauberfranken. Weitere Beispiele reichen von der sportlichen Laufgemeinschaft Tauberfranken, die einen Tauberfranken-Pokal auslobt, über den Maschinenring Tauber-Franken, die Gesundheitsholding Tauberfranken, das Mittelstandszentrum Tauberfranken in Bad Mergentheim bis hin zur ehemaligen Tauberfranken-Kaserne Lauda-Königshofen und einem Ehrentitel Tauberfränkischer Kommandeur bei den Heeresfliegern in Niederstetten.